this.copy
Diese Installation fand im Rahmen des Projekts "Ein unguter Ort - doch besser als die Welt" (Ernst Jünger) statt, das vom Projektbüro Copyright veranstaltet wurde. Mehrere Künstler waren eingeladen, Arbeiten zum Thema "Orte und Unorte" zu entwickeln. Die meisten Installationen und Objekte wurden im Projektraum Kampl (Berlin, Auguststrasse) in wechselnden Ausstellungen im Frühjahr 2002 gezeigt. Zum Abschluß dieses Projekts wurden in der Akademie der Künste (Berlin, Hanseatenweg) eine Woche lang weitere Installationen präsentiert, ergänzt um Vorträge und Performances.
In this.copy wird die Galerie als sozialer und funktionaler Raum thematisiert.
this.copy ist kein ausgestelltes Objekt. Vielmehr werden die Akte des Ausstellens und Betrachtens zum Gegenstand.
this.copy ist kein Spiegel. Die Blickrichtung wird umgekehrt, der Betrachter wird betrachtet.
this.copy ist in der objektorientierten Programmierung eine interne Anweisung für den Empfänger, sich selbst zu kopieren.
Im Ausstellungsraum befindet sich ein Monitor, der auf eine gegenüberliegende Wand gerichtet ist, die möglichst keine Türen oder Fenster besitzt. Der Monitor soll sich in Augenhöhe befinden, etwa so wie ein ausgestelltes Bild. Auf dem Monitor ist eine kleine Videokamera befestigt. Der Monitor zeigt die Umrisse des Austellungsraums aus der Perspektive der Kamera. Die Bildfläche des Monitors soll im Prinzip wie ein Spiegel wirken. Die meiste Zeit ist aber der leere Raum zu sehen, der zuvor von der Kamera aufgenommen wurde. Dieses „Standbild“ kann durch 2 Ereignisse überlagert werden: 1. Gesteuert durch die Bewegungsintensität und die Geräusche der Besucher, wird von Zeit zu Zeit das Bild von der Kamera zum Monitor übertragen. Dabei wird das Bild gleichzeitig gefiltert, so dass nur die Umrisse von Personen und Gegenständen zu sehen sein werden. Auf diese Weise entstehen kurzlebige Porträtgrafiken der Betrachter, die sich mit früheren Momentaufnahmen überlagern können. 2. Zufallsgesteuert werden in größeren Zeitabständen früher aufgenomme Szenen von sich im Raum bewegenden Besuchern eingeblendet, die ebenfalls nur schemenhaft wahrgenommen werden können. Mit Hilfe des Mikrofons werden ab und zu die von den Besuchern verursachten Geräusche aus dem Raum aufgenommen, gespeichert und zu einem viel späteren Zeitpunkt über kleine Lautsprecher in der Nähe des Monitors mit geringer Lautstärke wiedergegeben.
Kunstwerke sehen dich an Orte und Unorte im Projektbüro Copyright Ihren kleinen Ausstellungsraum in der Auguststraße einer unabhängigen Künstlergruppe zur Verfügung zu stellen, ist für das Team von Galerie & Projekte Kampl nichts Ungewöhnliches. In der letzten Saison war hier der "Projektraum" eingerichtet, bei dem, wer per Internet-Auktion das Recht dazu ersteigert hatte, die Gestaltung einer situationsspezifischen Arbeit beeinflussen durfte. Nun hat das Projektbüro Copyright bei Kampl Quartier bezogen und lädt ein, unter dem Motto "Ein unguter Ort - doch besser als die Welt" (Ernst Jünger), über Orte und Unorte nachzudenken. Im Juli soll ein dreitägiges Symposium in der Akademie der Künste den künstlerischen Diskurs beschließen. Die aktuelle Situation führt drei Positionen zusammen, deren Bezug zum Thema wenig stringent erscheint. In einer vierteiligen großformatigen Foto-Arbeit "Wie ich lebe und warum II" dokumentiert Stefan Beck in Anlehnung an Rolf Dieter Brinkmann sein unmittelbares Wohnumfeld - die Treppe eines Mietshauses, die Beck im regelmäßigen Turnus selbst wischt. Eimer und Mob verweisen auf die Arbeit im Raum zwischen Privatheit und Öffentlichkeit, eine krude Alltäglichkeit, hineingezerrt ins notwendig öffentliche Spiel der Kunst. Die in Peking aufgewachsene Musikerin und Komponistin Yueyang Wang beschreitet in ihrer Klanginstallation "Wo bin ich?" den entgegengesetzten Weg, hier schafft Kunst Distanz. Eine Vielzahl von flexiblen, gut daumendicken Kunststoffschläuchen zieht sich in einem Gewirr aus Schlaufen und Verschränkungen an zwei Wänden entlang. Aus 14 der Schläuche klingt eine einstündige Collage aus Verkehrsgeräuschen und Bruchstücken eigener Werke, Elektronisches, von traditionellen Instrumenten Inspiriertes, Pop-Zitate. Wie jede reine Lautsprechermusik haben diese Klänge keinen Ort. Daß man sich die Schlauchenden unbequem in die Ohrmuschel drückt, betont den Gestus des Lauschens in Ferne wie Vergangenheit. Während Akio Suzuki in seinen in Donaueschingen und Berlin präsentierten röhrenförmigen Klangleitsystemen die große Poesie des Lauschens nach der Ruhe, letztlich des Hörens selbst entfaltet, werden Yueyang Wang die schwarzen und weißen Schläuche nur zum spielerischen Tongeber. Dessen Materialität evoziert Provisorien, Baustellen und den Strom von Flüssigkeiten, nicht aber Konzentration und sensibilisierte Wahrnehmung. Dafür erscheint das Schlauchgewirr als bestimmender visueller Gegenstand der interaktiven Video-Arbeit "this.copy" von Andre Bartetzki. Der Installation von Yueyang Wang gegenüber aufgestellt, zeigt ein Computer-Monitor das durch gerechnete Solarisation verfremdete Bild einer neben ihm fixierten Web-Cam. Aus dem Zeitspeicher der Festplatte zufällig herausgelöst und in den Raum zurückgespielt, dokumentieren die zum Teil überlagerten Bilder zusammen mit einem in schlechter Auflösung abgespielten Film das Geschehen im Raum vor Kamera und Monitor. Somit zeigt "this.copy" die Geschichte der eigenen Betrachtung. Aus acht in einer Reihe an die Schaufensterscheibe geklebten Hochtonlautsprechern erklingt ab und an, auf ein hohes Knistern reduziert, für wenige Sekunden eine akustische Momentaufnahme aus dem Galerie-Raum. Bild und Ton sind verfremdet genug, daß der Besucher sich nicht mißtrauisch beobachtet und später bloß- und ausgestellt fühlt. Das interaktive System vermeidet so, zusammen mit der zeitlichen Verzögerung, zu einfacher Spiele zwischen Mensch und Maschine auf dem Niveau von Reiz und Reaktion, büßt dafür aber an Präsenz und ästhetischer Unbequemlichkeit ein. Volker Straebel(Frankfurter Allgemeine Zeitung, 30.03.2002, Berliner Seite 10)